Bislang war ich bei der Diskussion über die Wiederansiedelung des Wolfes neutral. Ich habe viele Tierdokumentationen im Fernsehen gesehen. Wölfe sind kluge Tiere, arbeiten zusammen, sind sozial und kämpfen, wie alle anderen Tiere, täglich ums Überleben. Wer mal einen größeren Hund hatte, hegt vielleicht Erinnerungen und glaubt eventuell, man könnte Wölfe domestizieren. Die Kleinen sind ja auch so niedlich!
ABER WENN SO EIN WOLF PLÖTZLICH AUF DER SCHAFWIESE STEHT IST SCHLUSS MIT NEUTRAL.
Mit Grabgabel bewaffnet bin ich morgens früh um acht Uhr schreiend aus der Küchentür heraus gelaufen und alle Welt konnte hören: „HAU AB, HAU AB, HAU AB!“ Ich muss furchterregend mit der Gabel gefuchtelt haben, denn der ca. 30 Meter entfernt lauernde Wolf drehte seinen Kopf in meine Richtung, zögerte kurz, machte dann eine Kehrtwende und verschwand direkt durch den Zaun in den angrenzenden Wald.
Echt jetzt?
Was war das denn gerade?
Ich war total durcheinander, meine Knie etwas weich. Meine Aufregung ließ nicht gleich nach, ich stolperte ziellos über den Hof bis ich mich etwas beruhigt hatte.
Das war ein Wolf gewesen, ich hatte es durch das Fernglas genau gesehen.
Was, wenn er wiederkommt?
Ich wusste, dass man in Schweden Wolfssichtungen offiziell meldet. Das kann man online machen und das tat ich dann auch als erstes. Anschließend informierte ich alle Nachbarn per E-Mail und postete das selbe bei Facebook in einer öffentlichen Gruppe, die sich mit Themen der Umgebung beschäftigt. Ich hatte dort in der letzten Zeit Berichte und Bilder von einem Wolf gesehen und vermutete, dass es sich dabei um das selbe Tier gehandelt hatte. Zwischendurch suchte ich immer mal wieder nervös die Schafwiese nach einer Erscheinung ab, die dort nicht hingehörte. Auf Facebook wurde prompt reagiert. Man fragte mich, ob ich einen Beweis hätte, dass es sich um einen Wolf gehandelt hat. Ach Leute,
ich bastel erst die Kamera mit Teleobjektiv zusammen, mache in Ruhe ein paar Fotos von dem zum Sprung auf meine Schafe bereiten Wolf, lege sie dann sorgfältig beiseite und renne dann erst los und schreie das Tier weg. Klar.
Spuren habe ich im hohen Gras auch nicht gefunden.
Ein Bekannter empfahl mir, den Wolf mit Radiogeplärre auf Abstand zu halten. Er sagte, das könne helfen, damit er sich nicht wieder traut. Okay. Ich hab mir also den kleinen Bluetooth-Lautsprecher geschnappt, ihn auf das Fensterbrett vom Bad gestellt, Fenster aufgerissen und ganz Håkannäs mit Bremen Eins beschallt. Lange hatte ich meinem Heimatsender nicht mehr gelauscht – ich fand ihn gar nicht so schlecht! Mit Musik untermalt schaute ich in der Nacht noch mehrmals durch ein Nachtsichtgerät, aber nur die Schafe leuchteten. Toitoitoi.
Eine besorgte Schäferin im der Nähe meldete sich am nächsten Morgen, mit ihr war ich länger im Austausch.Tage später fragte sie mich, ob ich den Wolf ein weiteres Mal gesichtet habe und ob es den Schafen gut geht. Das fand ich nett, das war Anteilnahme.
Heute die Batterien der Wilkameras im Wald auswechseln? Das hatte ich mir eigentlich vorgenommen, war aber nun undenkbar. Das habe ich erst eine Woche später gewagt.
Der Wolf ist bislang nicht wieder aufgetaucht. Das heißt: Ich habe ihn nicht wieder gesehen. Ob er hier weiter rumstrolcht und die Schafe ihm weiter im Gedächtnis sind, weiß ich natürlich nicht. Von mir aus kann er sehr gerne weiter verschwunden bleiben.

